Und nun Rentnerin

Er ist eigenartig.

Dieser Zustand.

 

Ich habe frei.

Ich BIN frei.

 

Mein Tag beginnt vollkommen anders als gewohnt.

Ich stand immer zeitig auf.

Auch wenn ich frei hatte, nicht zur Arbeit ging.

 

Dennoch lebte ich in einer Welt, in der Termine gemacht wurden,

in der ich oft auf die Uhr schaute.

Entweder ich ging zur Arbeit oder hatte andere Dinge zu tun.

Stets stramm durchorganisiert.

Immer mit Terminkalender.

Der Typ bin ich.

 

Und jetzt?

 

Langeweile kenne ich nicht.

Alles ist geregelt.

Ich kann mich gut beschäftigen.

 

Ich merke, wie ich langsamer lebe.

Wie ich mir für jeden Tag etwas vornehme, aber gemäßigt.

Nicht, daß ich früher vor lauter Terminen nicht aus den Augen gucken konnte.

Nein, das nicht.

Aber, es war ein innerer Druck da.

Der ist weg.

Einfach so.

Seit einiger Zeit.

 

Ich habe plötzlich mehr Ruhe, mir meine Umgebung anzusehen.

Die Jahreszeit bewußter wahrzunehmen.

Menschen zu beobachten.

Aus der inneren Gelassenheit heraus zu planen.

 

Meine Träume werden seichter.

Meine Schritte ausgeglichener.

Mein Denken harmonischer.

Mein Nagellack hält länger.

 

Eine tiefe Dankbarkeit durchflutet mich.

Und ich gewöhne mich langsam an diesen angenehmen Zustand.

 

Ich denke an meine ehemaligen Kollegen, die nun an einem solchen Tag in ihrem Alltag/Verkauf stehen.

An einem Brückentag, mit anschließendem Wochenende.

Streß pur.

 

Leistung wird abverlangt.

Umsätze sollen kommen.

Ellenbogen werden ausgefahren.

Tretmühle.

 

Was von uns Menschen alles erwartet wird im Alltag.

 

Man läuft oft blind oder starr auf ein Ziel gerichtet durch den Tag.

Von einem zum anderen...

Sieht seinen Nächsten nicht.

Konkurrenzdenken.

Rempelt ihn auch mal um.

In der Hektik...

 

Und verlernt inne zu halten.

Luft zu holen.

Sich zu besinnen.

Auf das Wesentliche!

Den Sinn des Lebens vielleicht?

 

Ich kenne das:

 

Immer weiter.

Immer höher.

Immer besser.

Immer schöner.

Immer mehr.

 

Nicht gut!!

 

Ich bin dankbar für diesen Zustand jetzt.

Ruhe.

Innere, wie Äußere.

Ich MUSS nicht mehr, ich KANN, weil ich es WILL.

 

Ich brauche keine Rechenschaft abzulegen,

kein schlechtes Gewissen zu haben,

mich nicht mit jemandem messen oder

je wieder bewerten zu lassen...

 

Und ich richte mir mein Leben neu ein.

In dem ich nur noch das mache, was ich mag, was mich wieder Neues lehrt, was mich in meiner Entwicklung jetzt voran bringt.

Komischer Weise brauche ich nur wenig, um glücklich zu sein.

Materielles gehört kaum noch dazu!

 

 

Älter sein hat auch seine guten Seiten.

Ich genieße es!

Mein Gesicht `entknittert`.

Meine Körperhaltung wird entspannter.

Ich fahre langsamer Auto.

Und lächle viel mehr!

Eine Bekannte sagte heute zu mir:

"Mensch Gabi, Du wirst auch immer jünger."

 

Ich denke in Liebe an meine (Ex)Kollegen und alle Menschen, die sich dem Lebensstreß immer wieder auf´s Neue aussetzen (müssen).